Armut in der Krisengesellschaft

 

Die Sozialplattform OÖ lud Ende März zur Buchpräsentation in die Räume der AK OÖ. Moderiert wurde die von regem Publikumszuspruch gekennzeichnete Veranstaltung von Manuela Hiesmair.

 

Auch wenn der Band „Armut in der Krisengesellschaft“ bereits Ende des Vorjahres erschienen ist – an der Brisanz der behandelten Thematik hat sich nichts geändert, im Gegenteil. Angesichts der aktuellen Budgetzahlen stehen bekanntlich Sparmaßnahmen im Raum. Zu befürchten ist, das Armutsbetroffene deren Auswirkungen überproportional zu spüren bekommen.

Über die Dramatik der Situation waren sich die drei HerausgeberInnen am Podium allerdings nicht ganz einig. Christine Stelzer-Orthofer (JKU Linz), die zu Beginn die Genese des Sammelbandes erläuterte, vertraut auch in der „Polykrise“, in der wir uns schon seit einiger Zeit befinden, auf die Resilienz des Wohlfahrts­staates. Dieser sei trotz mancher Mängel ein langjährig bewährtes Erfolgsmodell. Und sie warnt davor, angesichts der aktuellen Problemstellungen in Depression zu verfallen.

Nikolaus Dimmel (Universität Salzburg) sieht mehr Anlass zur Sorge. Er beklagt grundrechtliche Mängel im sozialpolitischen Bereich. Im Unterschied zu Deutschland fehlt unserer Verfassung eine entsprechende Staatszielbestimmung. Dimmel sprach u.a. die Probleme im Wohnbereich an, konkret die gestiegenen Miet- und Energie­kosten, die vielen zu schaffen machen, sowie das Horten von Liegenschaften, das diese ver­teuert, sodass nunmehr primär in Luxuswohnungen investiert wird. Erforderlich seien diesbzgl. erweiterte kommunale Kompetenzen, doch auch bestehende politische Spielräume würden zu wenig genutzt.

Martin Schenk (Diakonie; Armutskonferenz) berichtete über Armutsdiskurse, wie sie sich in Literatur und Medienberichten darstellen. Medial werden Kinder und Jugendliche entweder als bedürftig oder als gefährlich dargestellt; beides unzulässige Zuspitzungen. Arme würden generell als Sündenböcke für fast alles genommen: Kriminalität, Arbeitslosigkeit etc. Die gesellschaftlichen Ursachen werden dabei regelmäßig ausgeblendet. Schenk stellte aber auch positive Initiativen vor, die sich der strukturellen Benachteiligung von Armutsbetroffenen entgegenstemmen: das „Parlament der Ausgegrenzten“ und den „Journalistenpreis von unten“.

In der abschließenden, von Iris Woltran geleiteten Podiumsdiskussion wurde die Dynamik der sozialen Polarisierung angesprochen, die etwa an der seit Jahren sinkenden Nettolohnquote festgemacht werden kann. Weniger die Armutsbetroffenheit, sondern die bis weit in die Mittelschichten hineinreichende Angst vor sozialem Abstieg speise den rezenten Aufstieg des Rechtspopulismus.

Die Bereiche Wohnen und Inflation, insbesondere bei Lebensmitteln, sind die derzeitigen Hauptprobleme von Armutsbetroffenen. Bei den Gegenmaßnahmen fokussiere man zu stark auf Geldleistungen, besser sei ein Rechtsanspruch auf soziale Dienstleistungen. Martin Schenk favorisiert den „proportionalen Universalismus“: Darunter versteht man Angebote für alle, z.B. im Bereich der frühen Hilfen, die aber von Armutsbetroffenen und -gefährdeten überproportional genutzt werden.

 

© Hansjörg Seckauer

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