China und die Neuordnung der Welt

China und die Neuordnung der Welt

Zu diesem Thema referierte die Sinologin und Politikwissenschaftlerin Susanne Weigelin-Schwiedrzik am 20.01.2025 im Linzer Kepler Salon. Moderiert wurde die gut besuchte Veranstaltung von Christine Haiden.

Die meisten werden es schon gemerkt haben: Die Welt – bzw. die Weltordnung – ist im Umbruch. Viele sind verwirrt und können sich nicht erklären, was da gerade abläuft. Susanne Weigelin-Schwiedrzik versuchte in ihrem Vortrag, hier etwas Klarheit zu schaffen, wobei sie als Sinologin und damit China-Kennerin den Vorteil hat, das Ganze nicht aus der üblichen „westlichen“ bzw. eurozentrischen Perspektive betrachten zu müssen.

Neue Weltunordnung

Weigelin-Schwiedrzik erinnert an die so genannte Westfälische Ordnung, die sich nach dem 30-jährigen Krieg in Europa durchgesetzt hatte. Diese besagt im Wesentlichen, dass alle souveränen Staaten gleichberechtigt sind und ihre eigenen Interessen vertreten können. Der in der Politik zentrale Machtfaktor macht aus Gleichberechtigung jedoch eine Hierarchie, diese bedeutet gleichzeitig Ordnung. Eine solche internationale Ordnung wurde zuletzt – nach 1989 – primär von den USA hergestellt. Die gegenwärtige Krise resultiert vor allem daraus, dass der Hegemonialanspruch der USA nicht mehr ganz durchzusetzen ist.

Warum? Weil er nicht mehr von allen klaglos akzeptiert wird (oboedientia facit imperantem). So wollte Putin mit dem Ukraine-Krieg signalisieren, dass er neben den USA und China im globalen Machtspiel auch ein gewichtiges Wort mitreden will und Russland nicht auf das Level einer Regionalmacht zurückgestuft werden kann (ob dieser Schritt so klug war, ist eine andere Sache).

Zuvor ging man von einer bipolaren Weltordnung aus (USA versus Sowjetunion), Weigelin-Schwiedrzik weist jedoch darauf hin, dass bereits mit dem Eintritt Chinas in die UNO 1971 - Taiwan zog sich zurück, China übernahm dessen Sitz im Sicherheitsrat –eine tripolare Weltordnung begründet wurde. Dies geschah nicht zuletzt auf Betreiben der USA, der damaligen Außenminister Henry Kissinger hat China in die UN reingeholt und damit gestärkt, als Gegenpol zu Russland.

Jetzt stellt sich die Situation allerdings anders dar, denn Russland und China arbeiten mittlerweile zusammen. Der frisch gewählte US-Präsident Trump will zurück zur Konstellation der 1970er Jahre, was vermutlich einige seiner – für viele irritierenden - Ansagen erklärt.

Pentarchie als Ausweg?

Ist Multipolarität ein Ausweg aus der derzeitigen verfahrenen Situation? Der deutsche Politologe Herfried Münkler schlägt eine Pentarchie vor. Dies sei nichts Ungewöhnliches, eine solche gab es z.B. nach dem 30-jährigen Krieg in Europa, und auch der UN-Sicherheitsrat hat fünf ständige Mitglieder. Damit kompatibel wäre auch die chinesische Auffassung, dass eine Großmacht jeweils ihre Region beherrschen muss, diese bilde das regionale Zentrum, die angrenzenden Staaten die diesem zugeordnete Peripherie.

Der Einwand Weigelin-Schwiedrziks: Die von Münkler anvisierte Pentarchie ist im Prinzip immer noch eine bipolare Ordnung. Auf der einen Seite befinden sich die USA und die EU, auf der anderen Seite Russland und China, mit Indien in der Mitte. Bedeutende Weltregionen wie Lateinamerika und Afrika gehen dabei leer aus. Staaten wie Indien oder auch die Türkei, die zwischen den beiden Blöcken lavieren, würden immerhin davon profitieren (und tun es teilweise schon jetzt).

Was ist mit Europa? Die EU müsse erkennen, dass ihre Interessen von denen der USA verschieden sind. Wir spielen im Ukraine-Konflikt nur eine Nebenrolle, so die Referentin. Um Europa mehr Gewicht in der Welt zu verschaffen, schlägt sie vor, dass wir uns im Taiwan-Konflikt engagieren. Sie konzediert, dies sei ein etwas ungewöhnlicher Vorschlag, gibt aber zu bedenken, dass ein dort ausgetragener Krieg unsere Wirtschaft ruinieren würde, da in der Folge unsere maritimen Versorgungsketten abgeschnitten würden. Also gehe uns dieser Konflikt durchaus etwas an.

Chinesische Expansion?

Allgemein besteht Hoffnung auf eine friedliche Neuordnung, garantiert ist diese allerdings nicht. Auf die Frage nach einer möglichen globalen Expansion Chinas antwortete Weigelin-Schwiedrzik, dass die Chinesen stark in historischen Analogien denken. Sie sehen ihr aktuelles Regime in einer ungebrochenen territorialen Kontinuität, die schon sehr lange währt. Die chinesischen Machthaber hätten nie den Fehler gemacht, ihren Herrschaftsbereich zu überdehnen, im Gegensatz zu den USA, die sich gerade in dieser Gefahr befinden. Das spricht gegen eine – politische - Expansion Chinas nach Afrika. Seine Interessen sind vorwiegend wirtschaftlicher Natur. Auch die so genannte „Neue Seidenstraße“ ist primär eine ökonomische Initiative.

In BRICS sind die Chinesen eher „hineingestolpert“, so Weigelin-Schwiedrzik. BRICS sei in erster Linie ein Gegenmodell zu den G7. Die Idee hierzu kam von Russland, da dieses aus den G8 hinaus­komplementiert wurden. Den internationalen Handel nicht weiterhin in Dollar abzuwickeln ist ein wesentliches Ziel von BRICS. Allerdings streiten China und Indien gerade darüber, wer den globalen Süden repräsentiert. Und was die generelle Strategie von BRICS betrifft, sind sich China und Russland derzeit uneins.

Die USA meinen, die Chinesen ökonomisch und technologisch in die Knie zwingen zu können, das hätten sie mit der Sowjetunion schließlich auch geschafft. Ihren Informationen zufolge kriselt es in China zurzeit, so Weigelin-Schwiedrzik, so seien manche Kommunen de facto zahlungsunfähig. Eine ökonomische Krise könnte in weiterer Folge einen Regimewechsel nach sich ziehen, dies wäre ganz im Sinne der US-Amerikaner.

Deren neuer Präsident Donald Trump will zudem einen Politikwechsel in Europa herbeiführen und sendet dazu Elon Musk als Botschafter aus. Es wird nicht zuletzt an uns EuropäerInnen liegen, dass er darin nicht reüssiert.

 

© 2025 Hansjörg Seckauer

 

Link: https://www.jku.at/kepler-salon/ereignisse/events/detail/news/china-und-die-neuordnung-der-welt/

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